Wann kommt der Rechtsschutz für Euro-Betriebsräte?
In den vergangenen Jahren haben einige Europäische Betriebsräte Ihre Rechte vor den zuständigen Arbeitsgerichten geltend gemacht. Schwierigkeiten entstehen jedoch dann, wenn ein ausländisches Gericht für die Klage zuständig ist. Wir beleuchten die Hintergründe.
Als 1996 die EBR-Richtlinie verabschiedet wurde, prognostizierten Beobachter einen erheblichen Bedarf an Fachjuristen zur Unterstützung der neuen Gremien. Mit großem Aufwand und finanzieller Unterstützung durch die EU-Kommission hob das Europäische Gewerkschaftsinstitut (EGI) damals ein Netzwerk von Rechtsberatern aus der Taufe. Die Experten sollten zukünftigen EBR´s in Verfahren vor den Arbeitsgerichten zur Seite stehen. Doch die Mitglieder des Netzwerks haben sich längst in alle Winde verstreut. Anwaltskanzleien, die ihr Angebot um die juristische Unterstützung von EBR´s erweiterten, warten vergeblich auf Kundschaft. Bis heute hat kein einziger nach deutschem Recht gegründeter Euro-Betriebsrat die Einhaltung seiner Vereinbarung auf dem Klageweg erwirkt.

Auch Musterverfahren, wie sie sonst häufig von Gewerkschaften zur Erhöhung der Rechtssicherheit angestrengt werden, brauchten die Arbeitgeber in der Vergangenheit nicht zu fürchten. Lediglich einige "Totalverweigerer" - Unternehmen also, die sich selbst der Pflicht zur Gründung eines EBR entzogen (Bofrost, Kühne&Nagel; Anker) - wurden von den Gerichten zu Einhaltung ihrer gesetzlichen Pflichten verurteilt.
Die fehlende Nutzung dieser rechtlichen Möglichkeiten verwundert in einem Land, dessen Arbeitsgerichte im europäischen Vergleich nicht gerade als unterbeschäftigt gelten. Doch wo kein Kläger ist, gibt es selbst dann keinen Beklagten, wenn Europäische Betriebsräte immer mehr über ständige Regelverletzungen seitens des Managements klagen. Die Gründe für den "rechtsfreien" Raum Euro-Betriebsrat sind vielschichtig: Zahlreiche Euro-Betriebsräte bestehen aus Gremien, in denen das Management einen Anteil der Delegierten stellt und bisweilen sogar den Vorsitz innehat. Folglich ist zumindest umstritten, ob die Arbeitnehmervertreter überhaupt klageberechtigt sind. Die Annahme der Klage der Arbeitnehmervertreter des Transportunternehmens P&O verweigerte der (englische) Richter mit der Begründung, dass nur der Personaldirektor als offizieller EBR-Vorsitzender das Gremium nach außen vertreten dürfe. Da viele EBR-Vereinbarungen wie bei P&O keine Regelungen zur Konfliktlösung kennen, bleiben die Arbeitnehmervertreter im Ernstfall ohne rechtlichen Schutz.
Ein weiterer Grund der arbeitsrechtlichen Enthaltsamkeit Europäischer Betriebsräte liegt in der ungeklärten Übernahme der Gercihts- und Anwaltskosten. Auch hier mangelt es den allermeisten Vereinbarungen an Eindeutigkeit. Entsprechend ratlos wenden sich manche EBR-Vertreter an ihre Gewerkschaft. Doch angesichts leerer Kassen wird von dort die Zuständigkeit gerne von Land zu Land weitergereicht. "Hast Du mal nen Euro?" überschreibt ein EBR-Mitglied seine Suche nach Rechtsschutz bei Gewerkschaften in verschiedenen Ländern Europas. Allein in den vergangenen Monaten erfuhren wir von Arbeitnehmervertreter aus sechs Unternehmen, dass sie trotz teilweise bester Erfolgsaussichten frühzeitig kapitulieren mussten, da eine Übernahme des finanziellen Prozess-Risikos nicht gesichert werden konnte. Keine Gewerkschaft fand sich in diesen Fällen bereit, das Prozess-Risiko zu übernehmen und noch dazu eine Klage vor einem ausländischen Gericht anzustrengen. Besonders hilflos fühlten sich dabei EBR-Mitglieder aus nicht-europäischen Unternehmen, deren Belegschaft relativ gleichmäßig auf verschiedene Länder verteilt ist.
Selbst wenn genug Geld verhanden wäre, ist ein möglicher Beklagter mitunter schwer auszumachen. In den vor September 1996 abgeschlossenen sog. Artikel 13 Vereinbarungen gaben u.a. amerikanische Konzerne häufig ihre belgischen oder irischen Töchter als "Zentrale Leitung" an und schlossen die EBR-Vereinbarung nach dem jeweiligen Landesrecht ab. Auch die vom "Opt-Out" der britischen Regierung betroffenen Unternehmen schlossen oft nach blegischen Recht ab. Acht Jahre später sind manche dieser Landesgesellschaften jedoch längst aufgelöst. Die Verträge wurden nur selten an die neuen Gegebenheiten angepasst und bestehen fort, obwohl das Unternehmen im Land der Unterzeichnung nicht mehr präsent ist.
Die Europäischen Gewerkschaftsverbände sind derzeit weit davon entfernt, die finanziellen Lasten möglicher Verfahren schultern zu können, sind sie meist doch selbst bei vielen Projekten abhängig von Beihilfen der EU-Kommission. In einigen Verbänden wird gegenwärtig immerhin diskutiert, ob die im Rahmen der Aufsichtsratsmandate der Europäischen Aktiengesellschaft zu erwartenden Tantiemen die chronische Finanznot lindern könnten. Ein Teil dieser in eine Stiftung zu überführenden Gelder könnte für Musterprozesse von Euro-Betriebsräten genutzt werden. Schließlich nützt die gerichtliche Durchsetzung einer EBR-Vereinbarung nicht nur den Beschäftigten des jeweils betroffenen Unternehmens. Als 1997 die Arbeitnehmervertreter von Renault vor Gericht zogen, weil das Unternehmen den EBR nicht vor der Bekanntgabe der Schließung des Werkes in Vilvoorde bei Brüssel angehört hatte, verhalf die Verurteilung des Unternehmens vielen anderen EBR´s zu mehr Gehör und größerem Respekt. Doch der Fall des französischen Autobauers liegt inzwischen mehr als sieben Jahre zurück. Vilvoorde ist überall. Monat für Monat - Jahr für Jahr!
Gegenwärtig bleibt Euro-Betriebsräten wenig mehr, als ihre eigene EBR-Vereinbarung "wetterfest" zu gestalten. Die gerichtliche Austragung von Konflikten mit dem Management wird immer die Ultima Ratio bleiben. Dennoch sollte für den Ernstfall die Absicherung des rechtlichen Vertretungsanspruchs nach außen und eine Übernahme der Verfahrenskosten in die Vereinbarung hineingeschrieben werden. Dort wo sie vorhanden ist, braucht sie in der Regel nicht einmal angewandt werden. Allein ihre Existenz veranlasst beide Seiten zu einer gütlichen Einigung.
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